Short Story (bisher ohne Titel)

Vorwort

Diese Kurzgeschichte ist noch nicht fertig und hat bisher noch nicht einmal einen Titel (einen passenden Titel zu finden, ist irgendwie oft eines der größten Herausforderungen für mich, wenn ich etwas schreibe…also, ich bin immer offen für Inspirationen :)), obwohl sie in meinem Kopf schon etwas weiter ist. Während eines Praktikums bei einem Promi-Magazin wurde mir noch einmal auf ganz neue Weise bewusst, wieviel Macht die Medien haben und sogar das Leben der Menschen zerstören können. Ja, es gibt Anwälte, die sich übrigens tatsächlich immer mal bei den Zeitungen melden, aber wenn erst einmal etwas veröffentlicht wurde, können diese Texte viel anrichten. So entstand die Idee für diese Geschichte. Ich bin gespannt, wie sie euch gefällt 🙂

Love,
Joy

Brandon

Hasserfüllt presste Brandon Nerling seine Lippen aufeinander, um nicht in Gegenwart seines Agenten mit Kraftausdrücken um sich zu werfen. In den vergangenen Monaten hatte sich diese Methode bewährt, aber es kostete ihn viel Willensmut, sie auch in diesem Moment anzuwenden. Er knallte das Magazin auf den Schreibtisch und bemühte sich, die Haltung zu bewahren. Ein lächerlicher Artikel. Mehr nicht. Wieso ließ er sich bloß so sehr aus der Ruhe bringen? Die Journalisten schrieben ständig über ihn und normalerweise ließ es ihn kalt, was die Presse verbreitete. Sein Job war es schließlich, die Gesellschaft zu unterhalten und dazu gehörte es, nicht nur auf der Kinoleinwand für Gesprächsstoff zu sorgen. Eigentlich interessierten sich die Medien doch viel mehr für sein Privatleben. Falls es das überhaupt gab. Die Schauspielerei war nicht nur ein Beruf. Sie war sein Leben. Sie bestimmte sein Dasein. Manchmal wusste er selbst nicht genau, was er wirklich fühlte und was er spielte, um den Paparazzi das nächste skandalöse Foto für eine Story zu liefern. Doch eines war ihm in diesem Augenblick nur allzu bewusst. Die Empörung, die er über den Bericht von Laney Lee empfand, war erschreckend real.  Was war das überhaupt für ein Name? Sollte das etwa ein Pseudonym sein, damit sie die Privatsphäre für sich wahren konnte, die sie ihren berühmten Opfern nicht gestattete? Er hasste diese Frau. Kaum war sie in der Welt der Presse aufgetaucht, hatte sie systematisch begonnen, ihn vor der Welt auseinanderzunehmen. Und sie war noch nicht lange im Geschäft. Ihre Worte lösten in ihm etwas aus, das er nur schwer einordnen konnte. Sie waren wie tausende Nadelstiche. Als würde sie kochend heißes Wasser über ihn gießen. Die bösen Verbrennungen hatten nicht einmal die Zeit zu heilen, da startete sie einen erneuten Angriff.  Wann immer er einen neuen Artikel von ihr las, hatte er das unerträgliche Bedürfnis, mit Gegenständen zu werfen, wobei er am liebsten Laney höchstpersönlich als Zielscheibe benutzt hätte. Die Bezeichnungen, die ihm für dieses Biest einfielen, hatten sich mittlerweile auf solch bösartige Beschimpfungen ausgeweitet, dass er es nicht mehr wagte, ihre Texte in der Anwesenheit anderer Menschen zu lesen. Dass er es heute doch getan hatte, war sozusagen ein Versehen gewesen. Hätte er ahnen können, dass er die aktuelle Titel-Story des „People-Magazins“ sein würde? Er fragte sich, wie es derzeit überhaupt möglich war, eine so exklusive Geschichte über ihn zu veröffentlichen, wo sein letzter Film doch schon seit Monaten nicht mehr im Gespräch war. Auch privat sah es nicht nur aus der Paparazzi-Perspektive gerade wenig spektakulär aus: Keine heimlichen Affären, Blitz-Hochzeiten oder Drogen-Skandale. Nein, aber ein Kind aus einer Beziehung, die er niemals hätte eingehen sollen. Einen engelsgleichen Sohn, der nicht nur seine grünen Augen mit den dichten Wimpern, sondern auch sein Grübchen in der rechten Wange geerbt hatte und nicht einmal wusste, dass sein abwesender Vater weltberühmt war. Wie konnte Laney es wagen, sich auf das einzige Wesen zu stürzen, das ihm wirklich etwas bedeutete? Und das, obwohl er alles tat, um Levi aus seinem verrückten Leben herauszuhalten. Aus einem Grund: Damit genau das nicht passierte, was diese hirnverbrannte Frau nun angerichtet hatte.
Tiefe Sorgenfalten gruben sich in Kyle McGuires Stirn, als er seinen Klienten beobachtete. Er kannte das Temperament des Schauspielers mittlerweile gut und er ließ sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Sobald es sich jedoch um einen Artikel von Laney Lee handelte, war erhöhte Vorsicht geboten. Und noch dazu, wenn es dabei um eine Titel-Story ging, in der solch private Dinge über Levi in die Öffentlichkeit gerieten.
„Ist da irgendetwas dran?“, Kyle deutete auf das Magazin.
Brandon atmete hörbar aus: „Ich wünschte, es wäre gelogen.“
„Ich dachte, es war eine schwere Geburt.“
„Das war es auch, aber da ging es Levi noch gut“, er machte eine Pause. „Er war nur einen kurzen Moment unter Wasser, aber ich konnte nicht schnell genug reagieren. Wie hätte ich auch. “
Kyle nickte. Er wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Jedes falsche Wort konnte sein Ende als Manager bedeuten. Was sollte er auch sagen? Die Geschichte war tragisch, aber es würde Brandon wenig helfen, wenn er nun erneut seine Vergangenheit ausrollte. Fieberhaft überlegte er, wie es ihm gelingen würde, das unerträgliche Schweigen zu brechen. Plötzlich vibrierte Brandons Handy. Ein kurzer Blick auf das Display verhieß nichts Gutes. Der junge Mann trat hinaus auf den Balkon und nahm den Anruf entgegen.
„Was hast du dir dabei gedacht?“, schrillte die aufgebrachte Stimme seiner Ex-Freundin durch den Hörer. „Ich dachte, wir hatten eine Vereinbarung! Wieso habe ich bloß gedacht, dass ich mich wenigstens in dieser Sache auf dich verlassen könnte?“
Brandon ballte seine freie Hand zur Faust: „Denkst du wirklich, das wäre auf meinem Mist gewachsen?“
„Nein, natürlich nicht. Das fromme Hollywood-Lämmchen hat doch nie etwas damit zu tun. Du bist schließlich das arme Opfer.“, sagte Alice Green ironisch. Er konnte förmlich ihre wütend- funkelnden Augen sehen.
„Ich halte dich und Levi immer aus allem raus. Das weißt du!“
„Oh ja, das habe ich gerade gesehen. Eine Cover-Story im ‚People-Magazine‘? Ist das dein Ernst?“
„Es ist diese…“, erneut wurden seine Gedanken von Beleidigungen überflutet, doch Alice unterbrach ihn.
„Schiebst du schon wieder die Schuld auf diese Journalistin? Es ist mir vollkommen egal, wer oder was diesen Artikel geschrieben hat. Ich will, dass du das in Ordnung bringst. Sofort – oder du wirst dein Kind nie wiedersehen!“, schrie sie und legte einfach auf.
Kaum war das Gespräch beendet, holte Brandon aus und schlug mit voller Wucht gegen die Fensterscheibe. Das Glas zersplitterte und riss eine blutige Wunde in seine Hand. Kyle sprang auf und starrte den Schauspieler entgeistert durch die beschädigte Scheibe an.
„Deine Wutausbrüche wären doch mal eine Schlagzeile wert.“, er trat zu ihm auf den Balkon und reichte ihm ein Taschentuch.  Brandon warf ihm einen bedrohlichen Blick zu.
„Zu früh für schwarzen Humor?“
„Ich hätte eine andere Schlagzeile. Wie schnell kannst du einen Auftragskiller besorgen?“
„Du willst Laney ausschalten?“
„Wenn ich dafür nicht im orangenen Outfit enden würde, hätte ich es längst getan.“

Laney

„Laney, da ist ein Anruf für dich.“, ertönte die piepsige Stimme der Assistentin durch den Telefonhörer. „Ich habe versucht, ihn abzuwimmeln, aber er ist sehr penetrant.“
„Penetrant?“, fragte die Journalistin und tippte dabei seelenruhig weiter auf ihrer Computertastatur.
„Ich glaube, das hat mit deinem Artikel zu tun. Sein Name ist…“
„Kyle McGuire“, beendete Laney den Satz.
„Du kennst ihn?“
„Er ist Brandon Nerlings Manager.“, erklärte sie und strich sich eine hellblonde Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Brandon Nerling?“, die Aufregung war nicht zu überhören. „Du hast einen coolen Job.“
„Mal sehen, wie lange noch“, sagte Laney ironisch.
Kaum hatte die Assistentin den Anruf durchgestellt, vernahm sie auch schon die geschäftsmäßige Stimme des Mannes: „Sie können sich wohl denken, dass ich nicht anrufe, um nett mit ihnen zu klönen, Miss Lee. Ich spreche mit Ihnen im Auftrag meines Klienten Brandon Nerling.“
„Die Cover-Story nehme ich an.“
„Gut kombiniert. Ich möchte Sie wissen lassen, dass rechtliche Schritte gegen Sie unternommen werden, wenn Sie nicht den folgenden Bedingungen einwilligen.“
Laney erhob sich von ihrem Schreibtischstuhl und trat an das Bürofenster. Der Blick über New York war atemberaubend.
„Was sind Ihre Bedingungen?“, fragte sie ruhig.
„Sie schreiben einen Gegenartikel, in dem Sie beweisen, dass mein Klient unschuldig ist. Dass es sich lediglich um böse Anschuldigungen handelt, die sich nicht bewahrheitet haben. Und dann werden Sie all das revidieren, was in den vergangenen Monaten noch aus ihrer Feder entstanden ist. Sie werden Mr. Nerling so positiv darstellen, wie möglich. Natürlich ist er der geborene, liebende Vater, der jede freie Minute seiner Familie und ganz besonders seinem Sohn widmet. Im Übrigen gehört sein Alkoholproblem schon lange der Vergangenheit an. Das kann ich bezeugen.“
Laney atmete tief durch: „Mr. McGuire, ich rechne es Ihnen hoch an, dass sie diesen Fall nicht gleich Ihrem Anwalt überlassen haben, sondern sich die Zeit nehmen, persönlich mit mir zu sprechen. Ich fürchte aber, dass ich diesen Bedingungen nicht nachkommen kann.“
„Ihnen ist bewusst, dass es sich hierbei nicht um eine Option handelt“, entgegnete Kyle ernst.
„Darf ich Ihnen verraten, warum die Menschen meine Artikel lesen? Weil das, was ich schreibe, immer der Wahrheit entspricht. Ich bin keine der Journalistinnen, die um jeden Preis versucht, eine Schlagzeile zu landen, sondern ich berichte Tatsachen, die nicht verschönert und auch nicht dramatisiert werden.“
„Wahrheit hin oder her. In diesem Geschäft geht es um mehr, als die Wahrheit. Nennen Sie Photoshop etwa Wahrheit?“
„Ich bin keine Fotografin, sondern Redakteurin, Mr. McGuire. Wenn Sie möchten, dass ich darüber schreibe, dass Brandon Nerling ein guter Vater ist, der all seine freie Zeit mit seiner Familie verbringt, dann sollte er auch genau das tun. Soweit ich weiß, hat er seine Eltern seit Monaten nicht besucht und sein armer, kranker Sohn weiß vermutlich gar nicht, dass er überhaupt existiert.“
„Sie haben wirklich Freude daran, das Leben meines Klienten zu zerstören.“
„Nein, ich möchte Brandons Leben nicht zerstören. Ich möchte, dass er endlich anfängt, es zu leben.“
„Er hätte ein perfektes Leben, wenn es nicht Menschen wie Sie gäbe, die es ihm nicht gönnen und durch schwachsinnige Zeitungsartikel all das zu Nichte machen, was er hat.“
„Alles, was er hat, ist auf Lügen gegründet. Niemand weiß doch, was wirklich in seinem Inneren vorgeht. Es ist alles nur ein Spiel.“
„Aber Sie wissen, was in ihm vorgeht, wie? Vielleicht ist es ein Spiel. Aber es ist eins von der guten Sorte. Ein Spiel, das sehr viel Geld einbringt. Mr. Nerling, mir und auch Ihnen, Miss Lee“, er machte eine Pause: „Ohne Mr. Nerling wären Sie arbeitslos.“
„Sie wissen gar nichts, Mr. McGuire“, entgegnete Laney. Ihre Stimme zitterte. „Sie wissen gar nichts.“

Brandon

Brandon Nerling konnte es nicht fassen. Immer wieder hallten die Worte des Managers in seinen Gedanken wider. Kyle hatte ihm detailreich von dem Telefonat mit Laney Lee berichtet. Er war sehr aufgebracht gewesen und wunderte sich über Brandons Reaktion. Kein Wutausbruch, keine ausfallenden Bemerkungen. Stattdessen war sein Klient immer stiller und nachdenklicher geworden. Die ganze Nacht über hatte Brandon kein Auge zugetan. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus. Es war noch früh am Morgen, als er seine Villa am Malibu Beach verließ. Kein Paparazzi folgte ihm, als er seinen Wagen auf die Straße lenkte und sich immer weiter von der Stadt entfernte.
„Nein, ich möchte Brandons Leben nicht zerstören. Ich möchte, dass er endlich anfängt, es zu leben.“, krampfhaft hielt er das Lenkrad umklammert, während er in einem viel zu schnellen Tempo über den Highway fuhr. Er hatte diese Worte schon einmal gehört. Noch immer sah er deutlich die schmerzerfüllten Augen, hörte die verzweifelte Stimme und wünschte sich nichts sehnlicher, als die Zeit zurückzudrehen und diesen einen Tag noch einmal zu erleben. Ein Schicksalsschlag. Eine Entscheidung. Eine egoistische Entscheidung. Wie anders wäre sein Leben verlaufen, wenn er auf diese Worte gehört hätte. Gab Gott ihm womöglich trotz all seiner Fehltritte noch eine Chance? Nein, diese Hoffnung hatte er schon lange aufgegeben. Er hatte alle Chancen verspielt.

Kurz bevor er das Ortsschild erreichte, erhielt er einen Anruf von Kyle: „Wo um alles in der Welt bist du? Wir haben heute viele Pressetermine und es ist sehr wichtig, dass du erscheinst! Du weißt, was Laney mit ihrem Artikel angerichtet hat.“
„Ich werde da sein.“
„Was soll das heißen? Brandon, wo bist du?“, Kyle klang beunruhigt.
„Auf dem Weg in meine Vergangenheit“, entgegnete er schlicht.
„Geht es noch etwas genauer?“
„Entspann dich, McGuire. Ich weiß, was ich tue“, ohne eine Antwort abzuwarten, schaltete er sein Handy aus. Als er wieder aufblickte, schien sein Herz für einen Moment stehen zu bleiben. Vor ihm lag Greenville. Wie lange war nicht mehr hier gewesen? Und dennoch sah alles so vertraut aus. Wie automatisch folgte er der Hauptstraße, ehe er schließlich in eine kleine, von Bäumen umsäumte Wohnsiedlung einbog. Er war zu Hause. Nach all den Jahren war er endlich wieder zu Hause.

Fortsetzung folgt 🙂

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