Der Segen der Verzweiflung (Tiefer)
„Kannst du dir denn nicht vorstellen, wie es ist, wenn man verzweifelt?“, fragte Anne Shirley. „Nein, kann ich nicht. Verzweifeln bedeutet, dass man Gott den Rücken zukehrt.“, lautete die trockene Antwort von Marilla Cuthbert.
…eine kurze Szene aus „Anne auf Green Gables“, der herzerwärmenden Geschichte eines fantasievollen Waisenmädchens, das von einem älteren Geschwisterpaar aufgenommen wird (mein Buch- bzw. Film-Tipp :)).
Verzweiflung verbinden wir normalerweise mit etwas sehr Negativem. Ja, verzweifelt zu sein ist schrecklich. Aber es gibt eine gesunde und sogar nötige Art der Verzweiflung. Eine Verzweiflung, bei der wir Gott nicht den Rücken zukehren, sondern in Seine Arme getrieben werden: die Verzweiflung an uns selbst.
In dem zweiten Kapitel des Buches Tiefer von Dane C. Ortlund (hier findest du den Blogbeitrag zum ersten Kapitel) erklärt er, dass Wachstum als Christ u.a. bedeutet, „ein wachsendes Empfinden dafür zu bekommen, wie armselig und ohnmächtig wir aus eigener Kraft sind – das heißt: wie hohl und vergeblich unser eigenes Bemühen um geistliches Wachstum ist…Man erlangt die Fülle nur, indem man sich der Leere stellt.“
Das Vorankommen im geistlichen Leben fühlt sich oft so an, „als würden wir rückwärtsgehen.“ Aber es ist notwendig, dass uns unsere eigene Sündhaftigkeit immer mehr bewusst wird. Nicht nur bei unserer Bekehrung ist die Buße, die Umkehr entscheidend, sondern „das ganze Leben ist Umkehr. Durch beständiges Umkehren gehen wir vorwärts.“
Wir müssen verstehen, dass wir wirklich „nicht in der Lage sind, auch nur irgendetwas zu unserer Rettung beizutragen – ausgenommen die Sünde, aufgrund derer diese Rettung notwendig ist. Die christliche Erlösung ist nicht Verbesserung. Sie ist Totenauferweckung.“
Viel zu oft spielen wir unsere Schuld herunter. Viel zu oft zeigen wir mit dem Finger auf andere. Aber es ist notwendig, dass wir Verzweiflung über uns selbst, über unseren sündhaften Zustand erleben.
„J. I. Packer schreibt: »Der Gradmesser für die Gesundheit von jemandes Glauben an Christus ist die Ernsthaftigkeit der Verzweiflung über sich selbst, aus der dieser erwächst.« Im Laufe unseres Lebens bekommen wir ein immer tieferes Empfinden dafür, wie verwerflich wir in uns selbst tatsächlich sind. Paulus nannte sich gegen Ende seines Lebens den größten Sünder, den er jemals kennengelernt hat (vgl. 1. Timotheus 1,15).“
Empfindest du Verzweiflung über die Sündhaftigkeit deines Herzens? Ist dir wirklich bewusst, wie verloren du ohne Jesus bist? Unser Stolz möchte das nicht gern hören. Und auch die Welt ermutigt uns, an uns selbst zu glauben. Aber die harte Realität ist, dass in uns nichts Gutes ist, an dem wir festhalten könnten (vgl. Römer 7,18).
ABER wir bleiben nicht bei der Verzweiflung. „Gesunde Verzweiflung ist ein Tor, nicht der Weg. Wir müssen dort hin. Aber wir dürfen nicht dort bleiben…Umkehr bedeutet, sich vom Ich abzuwenden. Glaube bedeutet, sich zu Jesus hinzuwenden…Wir leben in der erwartungsvollen Haltung, Kraft von oben zu empfangen.“
From My Heart to Yours
„Das zweite Kapitel nimmt mich komplett auseinander. Im bestmöglichen Sinne.“, schrieb eine meiner Freundinnen, mit der ich das Buch zusammen lese. Ich verstehe sie. Und ich verstehe dich, falls es dir genauso geht.
Immer wieder frage ich mich, wie es sein kann, dass immer noch so viel Sünde in mir ist, obwohl ich Jesus schon die meiste Zeit meines Lebens kennen darf. Seit ich verheiratet und Mama bin, entdecke ich ganz neue „Facetten“ meines Herzens. Es beschämt mich, wie viel Böses da noch schlummert bzw. plötzlich herausbricht.
Das zweite Kapitel war eine hilfreiche Antwort. Manchmal fühlt es sich wirklich so an, als würde ich rückwärtsgehen. Aber was für ein Trost zu wissen, dass die Sündenerkenntnis und die Verzweiflung darüber so etwas Heilsames sind — vorausgesetzt, wir bleiben nicht dort stehen, sondern bringen all das zu Jesus
Ich wünsche dir von Herzen, dass du immer wieder neu Umkehr erlebst und dich in die Arme deines Retters fallen lässt ♡
Love,
Mirjana Joy